Man muss in Wiesbaden gelebt und die Stadt verlassen haben, um später für einen Blitzbesuch vorbeizuschauen und sich von ihrer Schönheit blenden zu lassen. Der Kurpark bescherte uns gestern die Klientel in den Mänteln aus feinen, bestimmt weichen Stoffen und frisch geputzten Schuhen. Das Kurhaus schenkte uns ein Orgelkonzert, das erdete und rührselig doch anhob. Mein alter Römerberg strahlte in der Aprilsonne und erinnerte mich an die steife Steigung, die ich nach langen Arbeitstagen nicht immer schön fand. Das Spaghetti-Eis am Römertor schmeckte auch, wobei mir alles schmeckt, was nicht ich bestelle und dann mit wenig, aber ehrlichem Schamgefühl schnorre. Fassaden der alten Häuser, der Neroberg aus der Ferne, der Bahnhofplatz mit komischen Gestalten, schicke Autos und das russisch-türkische Gerede in der Einkaufsstraße – liebe Stadt, ich habe dich vermisst.

